Hymne

Wenige wissen
Das Geheimnis der Liebe,
Fühlen Unersättlichkeit
Und ewigen Durst.
Des Abendmahls
Göttliche Bedeutung
Ist den irdischen Sinnen Rätsel;
Aber wer jemals
Von heißen, geliebten Lippen
Atem des Lebens sog,
Wem heilige Glut
In zitternde Wellen das Herz schmolz,
Wem das Auge aufging,
Dass er des Himmels
Unergründliche Tiefe maß,
Wird essen von seinem Leibe
Und trinken von seinem Blute
Ewiglich.
Wer hat des irdischen Leibes
Hohen Sinn erraten?
Wer kann sagen,
Dass er das Blut versteht?
Einst ist alles Leib,
E i n Leib,
In himmlischem Blute
Schwimmt das selige Paar. –
O! dass das Weltmeer
Schon errötete,
Und in duftiges Fleisch
Aufquölle der Fels!
Nie endet das süße Mahl,
Nie sättigt die Liebe sich.
Nicht innig, nicht eigen genug
Kann sie haben den Geliebten.
Von immer zärteren Lippen
Verwandelt wird das Genossene
Inniglicher und näher.
Heißere Wollust
Durchbebt die Seele.
Durstiger und hungriger
Wird das Herz:
Und so währet der Liebe Genuss
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Hätten die Nüchternen
Einmal gekostet,
Alles verließen sie,
Und setzten sich zu uns
An den Tisch der Sehnsucht,
Der nie leer wird.
Sie erkennten der Liebe
Unendliche Fülle,
Und priesen die Nahrung
Von Leib und Blut.

NOVALIS

Lasst uns ruhig weiter bauen

Aus tiefer Not schrei ich zu dir,
Herr Gott, vernimm mein Rufen!

Lasst auf uns ruhig weiter bauen,
nur auf Gottes Himmel schauen,
wie er alle Sterne trägt,
Sonn und Mond sich da bewegt.
Ein Vertrauen strahlt hernieder,
fallet auf die Knie nieder,
Herr, mein Gott, dich loben alle.

Nein, die Sündflut kommt nicht wieder,
und das Feuer stürzt nicht nieder,
Es erhebet himmelauf
Alles zu der Sterne Lauf
Ein Vertrauen strahlt hernieder,
Fallet auf die Knie nieder,
Herr, mein Gott, dich loben alle.

Eine Taube lass ich fliegen,
Die Gebete werden siegen,
Nicht der Feinde wilder Fluch;
Schon mit gleichem Flügelflug
Bringet sie ein Ölblatt wieder:
Fallet auf die Erde nieder,
Herr, mein Gott, dich loben alle.

Wo soll ich mein Haus nun bauen?
Lass dein Angesicht nur schauen
In der Liebsten Angesicht
Durch die wolk’gen Locken licht;
Ein Vertrauen strahlt hernieder,
Fallet auf die Knie nieder,
Herr, mein Gott, dich loben alle.

Nur noch eines mir gewähre,
Dass ich selber mich erkläre,
Denn ich fürchte, was ich such,
Allzu hoch ist wohl mein Flug:
Doch, Vertrauen strahlt hernieder,
Höher schwebt die Sonne wieder,
Herr, mein Gott, du schufst uns alle.

Wenn die Stadt auch soll vergehen
Lass mich ihr zur Seite stehen,
Dass uns drängt zum engsten Raum
Süße Not, wie in dem Traum.
In der Not sind alle Brüder,
Ja, ich sag es bald ihr wieder,
Wie sie mir so wohl gefalle.

Hast du Sprache doch gegeben
Jedem Menschen mit dem Leben;
Sprach und Leben ist ihr Blick,
Kündet mir verborg´nes Glück,
Ein Vertrauen strahlt hernieder,
Sie vergibt und liebt mich wieder;
Herr, mein Gott, dich loben alle.

ACHIM VON ARNIM

Das göttliche und natürliche Wesen

Anleitung, wie man das göttliche und natürliche Wesen betrachten solle

Dieses alles, wie oben erzählt, heißt darum Qualität, dass es alles in der Tiefe über der Erde, auf der Erde und in der Erde ineinander qualifiziert wie ein Ding, und hat doch mancherlei Kraft und Stärkung, aber nur eine Mutter, daraus alles Ding herkommt und quillt; und alle Kreaturen sind aus diesen Qualitäten gemacht und hergekommen, und leben darin als in ihrer Mutter. Auch so hat die Erde und Steine daraus ihr Herkommen, und alles, was aus der Erde wächst, das lebt und quillt aus der Kraft dieser Qualitäten: das kann kein vernünftiger Mensch verneinen.


Dieser zweifache Quall, böse und gut, in allen Dingen, rührt alles her aus den Sternen; denn wie die Kreaturen auf Erden sind in ihrer Qualität, also auch die Sterne.
Denn durch seinen zweifachen Quall hat alles seine große Beweglichkeit, Laufen, Rennen, Quallen, Treiben und Wachsen. Denn die Sanftmut in der Natur ist eine stille Ruhe; aber die Grimmigkeit in allen Kräften macht alles beweglich, laufend und rennend, dazu gebärend.
Denn die treibenden Qualitäten bringen Lust in alle Kreaturen zum Bösen und zum Guten, dass sich alles untereinander begehrt, vermischt, zunimmt, abnimmt, schön wird, verdirbt, liebt, feindet.


Es ist in allen Kreaturen in dieser Welt ein guter und böser Wille und Quall, in Menschen, Tieren, Vögeln, Fischen, sowohl auch in allem dem, was da ist, in Gold, in Silber, Zinn, Kupfer, Eisen, Stahl, Holz, Kraut, Laub
und Gras, sowohl in der Erde, in Steinen, im Wasser, und in allem, was man erforschen kann.


Es ist nichts in der Natur, da nicht Gutes und Böses innen ist; es wallt und lebt alles in diesem zweifachen Trieb, es sei was es wolle, ausgenommen die heiligen Engel und die grimmigen Teufel nicht; denn dieselben
sind entschieden und lebt, qualifiziert und herrscht ein jeglicher in seiner eignen Qualität. Die heiligen Engel leben und qualifizieren in dem Licht in der guten Qualität, darin der Heilige Geist herrscht. Die Teufel leben und herrschen in der grimmen Qualität, in der Qualität des Grimmes und Zornes oder Verderbens.

Sie sind aber beide, böse und gute Engel, aus den Qualitäten der Natur gemacht worden, daraus alle Dinge worden sind; allein die Qualifizierung ist in ihnen ungleich. – Die heiligen Engel leben in Kraft der Sanftmut des Lichts und des Freudenreichs, und die Teufel leben in Kraft des aufsteigenden oder erhebenden Qualls der Grimmigkeit, Erschrecken und Finsternis, und können das Licht nicht ergreifen, darin sie sich denn selber gestoßen haben durch ihre Erhebung, wie ich hernach von der Schöpfung schreiben will.
So du aber nicht glauben willst, dass in dieser Welt alles von den Sternen herrühre, so will ich dir’s beweisen; so du aber nicht ein Klotz bist und ein wenig Vernunft hast, so merke wie nachfolgt.
Erstlich schaue an die Sonne, die ist das Herz oder der König aller Sterne, und gibt allen Sternen Licht vom Aufgang zum Niedergang, und erleuchtet alles und erwärmt alles; alles lebt und wächst in ihrer Kraft ; dazu so steht die Freude aller Kreaturen in ihrer Kraft. So nun dieselbe würde weggenommen, so würde es ganz finster und kalt, auch so wüchse keine Frucht, auch so würde sich weder Mensch noch Tier können mehren; denn die Hitze erlöschte und der Same würde in allem kalt und erstarrt.

Jakob Böhme

Waldlied

Arm in Arm und Kron´ an Krone steht der Eichenwald verschlungen,
Heute hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.

Fern am Rande fängt ein junges Bäumchen an, sich sacht zu wiegen,
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen;

Kam es her in mächt´gem Zuge, scholl es an zu breiten Wogen,
Hoch sich durch die Wipfel wälzend, kam die Sturmesflut gezogen.

Und nun sang und pfiff ist graulich in den Kronen, in den Lüften,
Und dazwischen knarrt und dröhnt es unten in den Wurzelgrüften.

Manchmal schwankt die höchste Eiche gellend ihren Schafft alleine,
Donnernder erscholl nur immer drauf der Chor vom ganzen Haine!

Einer wilder Meeresbrandung hat das schöne Spiel geglichen;
Alles Laub war weißlich schimmernd nach Nordosten hin gestrichen.

Also streicht die alte Geige Pan der Alte laut und leise,
Unterrichtet seine Wälder in der alten Welten Weise.

In den sieben Tönen schweift er unerschöpflich auf und nieder,
In den sieben alten Tönen, die umfassen alle Lieder.

Und es lauschen still die jungen Dichter und die jungen Finken,
Kauernd in den dunklen Büschen, sie die Melodien trinken.

Gottfried Keller

Wenn ich ihn nur habe

Wenn ich ihn nur habe,
Wenn er mein nur ist,
Wenn mein Herz bis hin zum Grabe
Seine Treue nie vergisst:
Weiß ich nichts von Leide,
Fühle nichts als Andacht, Lieb und Freude.

Wenn ich ihn nur habe,
Lass ich alles gern,
folg an meinem Wanderstabe
Treu gesinnt nur meinem Herrn;
Lasse still die anderen
Breite, lichte, volle Straßen wandern.

Wenn ich ihn nur habe,
Schlaf ich fröhlich ein,
Ewig wird zu süßer Labe
Seines Herzens Flut mir sein,
Die mit sanftem Zwingen
Alles wird erweichen und durchdringen.

Wenn ich ihn nur habe,
Hab ich auch die Welt;
Seelig wie ein Himmelsknabe,
der der Jungfrau Schleier hält.
Hingesenkt im Schauen
Kann mir vor dem Irdischen nicht grauen.

Wo ich ihn nur habe,
ist mein Vaterland,
und es fällt mir jede Gabe
wie ein Erbteil in die Hand;
längst vermisste Brüder
Find ich nun in seinen Jüngern wieder.

Novalis

Ermunterung

Was willst du dich betrüben?

Der alte Gott lebt noch,

Nicht hüben und nicht drüben,

Nicht ferne und nicht hoch:

Sein Sein ist allenthalben,

Sein Lieben klingt durchs All

In höchster Engel Psalmen,

In kleinster Vöglein Schall.

 

Er weiß um deine Schmerzen,

Er weiß um deine Lust,

Und willst du ihn von Herzen,

Gleich hat ihn deine Brust,

Gleich fällt wie Frühlingsregen

Bei warmen Sonnenschein

Sein süßer Gnadensegen

Dir voll ins Herz hinein.

 

Auf! Wirf dein schlechtes Grämen,

Dein eitles Sorgen weg!

Verscheuche alle Schemen,

Die irren deinen Weg!

Du sollst im Lichte schreiten,

Und der dich frei gemacht,

Das große Licht der Zeiten,

Schloss ewig deine Nacht.

 

Mag alles sinken, wanken,

Dies eine bleibet fest,

Gedanke der Gedanken,

Der nimmer sinken lässt:

Das große Licht der Zeiten,

Dein Heiland Jesus Christ

Wird strahlen um dich spreiten,

Wo alles finster ist.

 

Dies wage fest zu fassen,

Dies halte treu und fest,

Den schwöre nie zulassen,

Der nimmer dich verlässt:

Der dich mit seinem Blute

Erlöst aus Nacht und Wahn,

Will, dass mit hellem Mute

Du wandelst seine Bahn.

 

Ernst Moritz Arndt